Die gute Zeit / Jede Stadt hat ihre Szene / Jede Zeit hat ihre Kneipe / dort wo die Erde sich um die Theke dreht Big Trouble – Streifzüge durch einen berühmten Stadtteil mit den Tollen und den Vollen. Der Einstieg in den Abend war gelungen, dachte er. Friedel und Karla nickten zustimmend und unterhielten sich über ihre Besuche in Havanna bzw. Tiblissi. Das gab Ludwin Madig Gelegenheit, über seine Situation nachzudenken. Auch Fritz Langhans dachte nach, er stierte sinnierend in sein Weizenbierglas, das halb voll oder halb leer war. Er entschied sich für Letzteres und bestellte mit einem Wink ein neues. Seine Brillengläser waren vom Qualm der Selbstgedrehten angeschlagen, und er wischte sie mit einem Taschentuch sauber. Die Hälfte der Gäste war Stammpublikum. Die andere Hälfte nicht. Nach zehn Uhr würde der Laden knackevoll sein und viele der Gäste auch. Fritz Langhans bemerkte, dass bereits jetzt der stadtbekannte Schriftsteller Uwe Haarig hereinschneite. Doch er war nicht allein. In seinem Schlepptau Friedel Kasten von der Deutsch-Kubanischen Freundschaftsgesellschaft und seine Freundin Karla Edelholz von der Deutsch-Georgischen Freundschaftsgesellschaft. Alle Köpfe ruckelten herum, wie immer, wenn Tür sich öffnete und musterten die Ankömmlinge, wie immer. Um sich enttäuscht wieder abzuwenden, wie immer. Dieses Köpfe-Herumrucken war ein Ritual, als würde man auf eine Offenbarung hoffen, auf die Bekanntgabe der Revolution oder zumindest auf ihn, den Fürsten des Landes, an dem sich die Geister schieden, in dessen Glanze man sich aber kurzzeitig durchaus sonnen wollte. Nur Theresa zapfte seelenruhig die ortsüblichen Biere weiter, ohne eine Bestellung auch nur abzuwarten. Sie hatte als Einzige nicht mit dem Kopf geruckelt ... . Der sakrale Mittelpunkt des Lokals, obwohl nicht in der Mitte zu finden, war da hinten: der Runde Tisch. An dieser Tafelrunde saßen die Eingeweihten, die Wissenden, die Druiden. In der Mitte des Tisches thronte ein riesiger Aschenbecher von Jägermeister, der Heilige Gral des Nikotins. Die hier sitzen durften waren informiert über alles und jeden. Der Runde Tisch beherbergte die Durchblicker der Stadt. Ihre Stärke war vortreffliches Analysieren von Gott, der Welt und warum gerade jemand fremdgegangen war. Ihre Urteile waren zweifellos unanfechtbar in ihrem Basiswissen, dass jegliches Handeln sinnlos sei. Sie waren die Gipsheiligen der Lokalität und Profis der Zerstreuung. Sieben Tage, sieben Köpfe, jetzt können wir trinken, sieben Tage lang. Sie waren stets über den Verdacht erhaben, etwas Läppisches wie Krieg, Konterrevolution oder Cola in Angola könnte ihnen die gute Laune nehmen. Sie hatten Jobs gefunden, die ihnen viel Muße ließen, und waren mit jener munteren Geselligkeit beseelt, die andere mit einer Soße aus Frotzeleien, Sticheleien und Albernheiten übergoss. Ging ihnen mal der Gesprächsstoff aus, was selten der Fall war, wurde ein Skat aufgespielt oder ein Doppelkopf gedroschen. Eine Lanze brachen sie für niemanden.“ Juri spürte die warme, weiche Hand der Schwedin in seiner Hand. Er fühlte seine Verliebtheit. Er fühlte aber auch seine Vergangenheit und seine Interpretation davon. Plötzlich erschien ihm das ungeheuer wichtig. Wenke schleppte ihn schon in Richtung Notausgang. Er hatte viel zu wenig erzählt. Noch einmal wandte er den Blick zurück in die Wabe seiner Kindheit. „Franz!“, rief Juri laut, wie um sich der Gegenwart zu vergewissern, „Franz: Ich war auch bei der Beerdigung, die Menschen trauerten so, als wäre gerade erst eine Ära zu Ende gegangen, jetzt erst und nicht schon vor zwanzig Jahren. Dort am Grab hatte ich auch Mossem getroffen, einen aus dem alten Kneipenkollektiv. Mossem sagte: 'Jedes Jahr sterben einige aus den frühen Bingerttagen, aus dem alten Viertel. Deshalb haben wir beschlossen, noch einige Feste zu feiern. Jedes Jahr eins.'“
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